Das geplante EU-Recht auf Reparatur wird für große Veränderungen auf dem europäischen Binnenmarkt sorgen. Verbraucher sollen viele Jahre über die gesetzliche Gewährleistungspflicht hinaus die Möglichkeit erhalten, schnelle und unkomplizierte Reparaturen für alle Verbrauchsgüter einfordern zu können. Für Unternehmen und Handwerk bedeutet dies viele neue Chancen und Herausforderungen.
Nachhaltigkeit und Reparatur statt Wegwerfmentalität und 35 Millionen Tonnen unnötiger Abfall jährlich – das ist das Ziel eines neuen EU-Gesetzes. Mit dem neuen „Recht auf Reparatur“ soll es für Verbraucher attraktiver werden, kaputte Verbrauchsgegenstände reparieren zu lassen, anstatt neue zu kaufen. Insbesondere Elektrogeräte sollen so eine längere Lebensdauer erhalten.
Um Europa bis 2050 zum ersten „klimaneutralen Kontinent“ zu machen und eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu etablieren, will die EU-Kommission neue Regeln für den Umgang mit defekten Verbrauchsgütern einführen. Hersteller werden künftig dazu verpflichtet, über die gesamte Lebensdauer von Geräten Reparaturen zu ermöglichen. Auch sollen alle Marktteilnehmer, auch kleinere Werkstätten, Zugang zu Ersatzteilen, Anleitungen oder Diagnosetools erhalten.
Die neuen Regeln für Reparaturen
Verkäufer beziehungsweise Hersteller müssen künftig innerhalb der Garantiezeit eine kostenlose Reparatur anbieten, welche die Gewährleistung um ein Jahr verlängert. Einzige Ausnahmen: die Reparatur ist teurer als ein Austausch, nicht möglich oder zu umständlich für den Verbraucher. Dauert die Reparatur zu lange, muss zudem ein Ersatzgerät zur Verfügung gestellt werden. Wenn ein Produkt nicht repariert werden kann, dürfen Hersteller auch ein überholtes Gerät anbieten.
Hierfür muss eine neue „Reparatur-Infrastruktur“ entstehen, die nach Willen der EU-Kommission folgende Punkte umfassen soll:
- Ersatzteile für Verbrauchsgüter sollen über die gesamte Lebensdauer von Produkten erhältlich sein
- Einführung eines digitalen Produktausweises: Dieser soll die Reparierbarkeit und Lebensdauer eines Produktes zum klar erkennbaren Produktmerkmal machen
- Schaffung einer „Match-Making-Reparaturplattform“, die es Verbrauchern leicht machen soll, einen geeigneten Reparaturbetrieb zu finden und Preise zu vergleichen
- Einführung von festen Qualitätsstandards für Reparaturen und zuverlässigen Qualitätssiegeln für gute Reparaturbetriebe
- Der Zugang zu Ersatzteilen, Anleitungen oder Diagnosetools soll künftig für alle Marktteilnehmer möglich sein
- Reparaturen dürfen von Herstellern nicht mehr abgelehnt werden, wenn diese bereits außerhalb des autorisierten Händlernetzes repariert wurden
- Mehr Transparenz und Vergleichbarkeit durch ein „Formular für Reparaturinformationen“: Reparaturbetriebe sollen Verbrauchern künftig detaillierte Informationen zu Reparaturbedingungen und Preisen offenlegen
- Reparaturdauer maximal 14 Tage
Das Ziel des Rechts auf Reparatur
Jährlich entstehen rund 35 Tonnen Abfall in der EU, der durch Reparaturen vermieden werden könnte. Dieser soll nicht nur für das Erreichen von Klimazielen reduziert werden, sondern auch den Wünschen der EU-Bürger Rechnung tragen: Umfragen zufolge würden 77 Prozent der Europäer ihre kaputten Haushaltsgeräte lieber reparieren lassen, als neue anzuschaffen. Das neue Recht auf Reparatur soll Unternehmen zudem motivieren, langlebigere, reparaturfreundliche Produkte herzustellen, um die EU-Länder so unabhängiger von Rohstoff- und Energielieferungen aus dem Ausland zu machen und den Verbrauchern unnötige Kosten zu ersparen.
Große Erwartungen und Herausforderungen
Die Infrastruktur dafür zu schaffen, wird für die Hersteller jedoch zur finanziellen und logistischen Herausforderung werden, denn es müssen mehr Ersatzteile produziert werden, die länger gelagert werden müssen. Auch wird es erforderlich werden, mehr Fachkräfte für Reparaturen anzustellen oder diese an externe Betriebe auszulagern. Wo Herausforderungen lauern, entstehen aber auch immer neue Chancen: Die EU-Kommission erwartet durch das neue Gesetz ein Wachstum und Investitionen von ca. 4,8 Milliarden Euro und rund 700.000 neue Stellen.
Aktuell arbeiten das Europaparlament und die EU-Staaten noch die genauen Bedingungen aus. Von Parlamentsseite wird mit einer Verabschiedung im Juni 2024 gerechnet, im Anschluss soll eine 24-monatige Umsetzungsfrist gelten.